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Ein Buch, das mich auf mehreren Ebenen getroffen hat, das ich sehr gefühlt habe und an das ich in den letzten Tagen immer wieder gern, vielleicht auch etwas wehmütig, denke, ist „Alpha Bravo Charlie“ von Tine Melzer.


Johann Trost war einst Pilot und Ehemann. Er liebte es, die Welt von oben zu betrachten, wie alles einfach so zu einer Kugel zusammenschrumpft, Regeln befolgt und alles einen gewissen Platz einnimmt. Doch mit der Rente hat sich vieles verändert. Von seiner Frau zeugen zwar noch immer die Zahnbürste und das Handtuch im Bad, aber sie sind schon lange getrennt, sein Alltag ist recht überschaubar und beschränkt geworden… mit diesem Roman begleiten wir ihn durch den Tag, begeben uns in den Modellbauladen, durch die Stadt, seine Wohnung und Gedanken. 

Irgendwie musste ich mir ständig vorstellen wie die deutsche Stimme von Robert De Niro in “Man lernt nie aus“ mir diesen Roman vorliest/aus Johanns Leben erzählt… vllt. weil sich gewisse Parallelen abzeichnen, ein älter, alleinstehender, sympathischer Herr, der sich über die Veränderungen des Lebens Gedanken macht und sich nach einem Platz in der Gesellschaft sehnt. Wohin mit sich und der Welt, wenn man irgendwie nicht mehr so ganz dazugehört? 

Johann ist mir während des Lesens wahnsinnig ans Herz gewachsen. Diese Nahbarkeit, dieser trockene Humor und iwie auch die Niedlichkeit, wie er sich an den kleinen Dingen des Lebens erfreut und sich in seine eigene, kleine Welt zurückzieht, sind am Ende in diesem 126 Seiten starken Roman dann doch ganz groß. Ein sehr tolles, feinfühliges Debüt, bei dem man sich gern Zeit lassen mag, über das Leben nachdenkt und das irgendwie mehr ist als nur ein Tag oder ein Moment.

„Wären wir Menschen bereits ausgerottet, ich hätte immerhin keine Gelegenheit mehr, neugierig aus dem Fenster zu schauen. Ich kann das täglich tun, ohne Strafe zu befürchten: drinnen sitzen und herausschimpfen auf die Mitmenschen. Es ist billig und herablassend von mir, den anderen zuzuschauen, als wären wir nicht verwandt. Aber so bin ich auch. So will ich nicht sein, aber auch ich kann mich nicht fügen. Und ich kann nicht mehr fliegen und mich nicht mäßigen und mich nur selten selbst vergessen. Ich bin mir aufdringlich nahe, es wird mir eng mit mir. Sogar die Maschen meines herumliegenden Wollpullovers lenken mich ab. Vielleicht ist er handgestrickt, denn er war teuer. Vielleicht hat jemand, den ich nicht kenne, mit dicken Nadeln die meterlange Wolle eigenhändig zu den Schlaufen gewunden, die mich wärmen. Nein, ich bin nicht einsam und nicht immer ganz allein, ich gelte sogar als sozial.“