Elke Heidenreich: Ein verlorener Held, Kölner Stadt-Anzeiger, 2023
Was für ein seltsamer Titel … erst im Laufe der schmalen Lektüre kommen wir dahinter, was er bedeutet: Es ist das Buchstabieralphabet der Piloten, ABC, Alpha Bravo Charlie. Und Pilot war der Mann, um den es geht, Johann Trost. Korrekt, zuverlässig, präzise. Und nun? Geschieden, pensioniert, einsam. Wohin mit all dem, was er mal gelernt hat? Immer noch zieht er sich jeden Morgen äußerst korrekt an, immer noch teilt er seine Zeit akkurat ein. „Es tut mir leid, dass ich mein früheres Leben vermisse, aber es ist niemand da, den das stört. Selbst Alleinsein ist ein pelziger Zustand.“ Mögen wir ihn, diesen Mann mit all seinen Marotten? Er tut uns ein bisschen leid, aber wir können auch nicht aufhören, weiterzulesen: Er, der die Welt jahrzehntelang kleinklein von hoch oben aus dem Cockpit gesehen hat, er kauft sich jetzt Miniaturlandschaften, winzige Häuser, Wälder, Menschen und baut nach, was ihm fehlt. Sonst hat er nichts zu tun, und wenn er am Spiegel vorbeigeht und sich sieht, erschrickt er schon, so einsam ist er geworden. Auch die Uniform fehlt ihm — die hat ihn früher zu etwas gemacht. Wer ist er jetzt? Ein unsichtbarer alter Mann. Tine Melzer erzählt aus der Innensicht von Johann Trost mit feinem Gespür und Witz, und er wird uns immer sympathischer, ihr verlorener Held, der einmal denkt: „Ich fürchte, ich habe einen weiteren nutzlosen Tag angerichtet.“
Es ist eine feine Erzählung über das, was einem Leben Sinn gibt. Und der Schluss des Buches ist eine fabelhafte Volte und zeigt alles noch mal in ganz anderem Licht. Eine Entdeckung!