ALPHA BRAVO... Bücherstimmen: Vielleicht würde man Herrn Trost gern kennenlernen, 2023

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Vielleicht würde man Herrn Trost gern kennenlernen

«In Miniatur sieht die Welt erträglicher aus», sagt Johann Trost, und irgendwie hat er ja recht. Die Welt ist manchmal wirklich schwer auszuhalten, so, wie sie ist. Aber man liebt sie halt trotzdem. Und wenn man sie etwas kleiner haben könnte. Handlich, nett, nicht so zudringlich, dann wäre schon viel gewonnen. Weil es das nicht gibt, baut es sich Johann Trost selbst. Trost ist der Protagonist von Tine Melzers Roman «Alpha Bravo Charlie». Früher war er Linienpilot. Kurzstrecken. Jetzt ist er pensioniert, geschieden ist er auch, und kommt sich ein bisschen verloren vor. Er baut sich seine Welt am Küchentisch, mit Klebstoff, im Massstab 1:200. Häuschen, Bäumchen, Strassen, Gebüsch und ein paar Felsen. Dazu macht er sich Gedanken über das Leben, die Menschen und das, was die beiden miteinander zu tun haben könnten. Einen Tag lang begleitet Tine Melzer ihre wunderbar schrullige und doch so liebenswürdige Figur. Um 9 Uhr 17 betritt Trost ein Geschäft für Modelleisenbahnzubehör. Irgendwo muss man das Material für seine Welt ja herhaben. Um 21 Uhr 50 öffnet er eine Flasche Rotwein, schenkt sich ein und stellt das halbvolle Glas in seine Modellwelt. Mitten ins frühlingsgrüne Tal. Dazwischen trocknet Leim, Schuhe werden geordnet, was gezählt werden kann, wird gezählt und, ja, eine Packung Oliven landet in einem Einkaufskorb. Ein wunderbares Buch über einen Sonderling, den man vielleicht gern kennenlernen würde. Und bei dem man manchmal das Gefühl hat, man kenne ihn.